Montag, 2. März 2009

Jose Manuel Prieto: Die kubanische Revolution und wie erkläre ich sie meinem Taxifahrer

Von Manuel Karasek

In den 90ern, nach dem der Kommunismus in Osteuropa spektakulär kollabiert war, öffnete Kuba seine Tore für den internationalen Tourismus. Fasziniert vom insularen Sozialismus kehrten viele (oder sagen wir abmildernd: einige) regelrecht hypnotisiert in ihre kapitalkräftigen Heimatländer in Europa zurück – und berichteten anschließend gar wundersames. Ausschließlich gastfreundschaftliche Inselbewohner waren ihnen begegnet, die nicht behelligt wurden von lästiger Werbung und giftigen Eigentumsverhältnissen. Strukturell siedelten sich solche Erzählungen in die Nähe utopischer Narration, in der messianische Elemente unbemerkt ins Satirische rutschten: Im Blick mancher verklärte sich Kuba zu einer Insel voller Nazarener.
Enerviert war der im Exil lebende, kubanische Autor Jose Manuel Prieto jedoch nicht von Karibikurlaubern, als er das Buch über seine Heimat schrieb. Gereizt hatte ihn eher ein alltägliches und offenbar global verbreitetes Phänomen: Gleichgültig in welchem Taxi er Platz nahm, egal an welchem Ort (Paris, Madrid, New York) – kam die Rede auf seine Nationalität, begannen die Chauffeure von Fidel Castro zu schwärmen. Der Rauschebart tragende Regierungschef galt ihnen als Personifizierung eines karibischen David, der den US-Goliath mehrmals eins ausgewischt hatte. Dieser Anekdote entsprechend klingt der Titel von Prietos jüngstem Werk auch entweder wie der Anfang oder die Pointe eines langen Witzes („Die kubanische Revolution und wie erkläre ich sie meinem Taxifahrer“), hat aber einen bitterernsten Hintergrund.
Prieto weiß nämlich, dass das Image Kubas vor allem über das negative Erscheinungsbild der Hegemonialmacht USA geprägt wird – und dass Fidel Castro seit 50 Jahren zum Schaden des eigenen Landes davon profitiert. Da setzt auch seine Kritik an, die sich nur am Rande mit der Geschichte der Revolution von 1958/59 auseinandersetzt, dafür aber mehr ihre Auswirkungen auf die Bevölkerung beschreibt, die mit den Folgen des politischen Umbruchs leben musste. Das dabei der oberflächliche Blick mancher Touristen implizit ins Spiel kommt, liegt an Prietos Kenntnissen, die eng mit seiner Autobiographie verknüpft sind: 1962 als Sohn eines Arztes geboren, Absolvent einer technischen Eliteschule, Ingenieursstudium in der UDSSR, daraufhin freiwilliges Exil und erste literarische Publikationen. Er gehört zu jener Generation, die Ende der 80er Jahre Reformen am sozialistischen Kurs forderten – eine Bewegung, die Fidel Castro schon im Keim erstickte.
Die Konsequenz davon war der zweitgrößte Exodus seit 1980. Ingesamt haben seit der Revolution, so berichtet Prieto, zehn Prozent der Kubaner ihre Insel verlassen, viele ertranken in den 90ern beim verzweifelten Versuch, mit selbst gebastelten Flössen das Meer zu überqueren. Der inzwischen schwer erkrankte Castro, der von allen seinen Ämtern zurückgetreten ist, verstand es immer, das nordamerikanische Handelsembargo zu seinen Gunsten zu nutzen. Mal diente es ihm als Schuldzuweisung für die instabilen ökonomischen Verhältnisse auf Kuba, dann wieder kam es ihm als Beleg für die imperialistisch-kolonialistischen Bestrebungen der USA entgegen; und selbst aus kurzfristigen Abkommen wie dem von Carter und Castro von 1980, in der eine Quote für Flüchtlinge festgelegt wurde (Ronald Reagan hob die Regelung zwei Jahre später wieder auf), schlug er Kapital. Prieto schreibt hierzu, dass Castro für seine Regimegegner keine Gulags gebraucht habe, Miami hätte gereicht.
Der Autor hält sich aber nicht, wie man jetzt erwarten könnte, am rechten politischen Rand auf – wie zahlreiche Exilkubaner, die seit Jahren eine gewaltsame Zerschlagung der kommunistischen Herrschaft unter Mithilfe der USA postulieren. Das Bezwingende seines Textes findet man eben darin, dass sein Verfasser nicht jenen Ressentiments unterworfen ist, die Merkmale der verhärteten, polarisierten Positionen sind. So hält er beispielsweise die Revolution als solche für einen Irrweg, ist aber gegen einen gewaltsamen Umbruch, in dem er lediglich die blinde Tendenz erblickt, 50 Jahre kubanischer Geschichte wegzuwischen – und spricht sich für eine schrittweise Lösung aus, ähnlichem dem chinesischen Weg. Trotz dieser Akzente ist sein Buch keine politische Streitschrift, sondern eher ein spielerischer (und gleichzeitig ernster) Exkurs in die schizophrene Affinität des Lateinamerikaners zum großen Bruder im Norden. Wie sehr in mancher Beziehung Kuba doch den USA gleicht, wie stark vom Hochmut die Nordamerikaner geblendet sind – das hat übrigens auch pädagogisches Potential für die Zukunft.

Jose Manuel Prieto: Die kubanische Revolution und wie erkläre ich sie meinem Taxifahrer. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. edition suhrkamp, 2008. 220 Seiten. 10 Euro

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